Mit Mut ins neue Jahr

von Jean D. Placy

Jean D. Placy Gründer & CEO der Mentoring Coaching Placy GmbH

Vincent, geboren am 7. Januar 1979, ist auf den ersten Blick ein freundlicher und stets gut gelaunter Bankangestellter im mittleren Management. Seine innere Wahrnehmung sieht aber ganz anders aus. Springen wir in die kalten Wasser seines subjektiven Befindens – wagen wir den zweiten Blick:

Freitag, 11. Januar 2019, irgendwo in Zürich: 17:30 Uhr, die Kaffeemaschine surrt. In der Zwischenzeit lese ich auf LinkedIn eine Kolumne mit der Überschrift «Raus aus den Gewohnheitsfallen». Wieder so ein Business Coach, der sich profilieren will, denke ich mir. Die Kaffeemaschine piept. Mit dem heissen Kaffee in der Hand mache ich mich auf den Weg zurück an meinen Arbeitsplatz. Ich setze mein freundliches Gesicht auf und lächle – genauso wie die Protagonistin Mara in der soeben gelesenen Kolumne. Ich setze mich an mein Notebook. Ein Blick in mein E-Mail-Postfach: 63 ungelesene Nachrichten. Ein beklemmendes Gefühl der Enge umschnürt meine Brust. Ich überfliege die jeweiligen Betreffzeilen: Weihnachtswünsche, Neujahrswünsche und Geburtstagswünsche. Dabei wünsche ich mir jetzt nur drei Dinge: nach Hause fahren, etwas Starkes trinken und einen Netflix-Serien-Marathon.

17:45 Uhr: Ohne mich umzuschauen gehe ich in Richtung Aufzug. Mein Blick ist starr auf das Smartphone gerichtet, und ich versuche jeglichen Blickkontakt zu meiden. Am Aufzug tippe ich mehrmals auf die Aufzugstaste. Aus dem Augenwinkel sehe ich von rechts eine Mitarbeiterin auf mich zukommen. Jetzt mach schon, du beschissener Aufzug, denke ich. Als sich die Aufzugstür öffnet, mache ich einen Schritt in diese Richtung. «Vincent, wir sehen uns dann nachher in der Bar!», ruft mir meine Arbeitskollegin fröhlich zu. Was will die jetzt von mir? Ich brauche endlich meine Ruhe! Mit hochgezogenen Augenbrauen und zusammengepressten Lippen erzwinge ich ein Lächeln. «Du bist doch diese Woche vierzig geworden! Ich habe dir via E-Mail eine Einladung gesendet», ergänzt sie euphorisch. «Ich freue mich darauf, gleich mit euch allen anzustossen und mache mich bereits auf den Weg!», erwidere ich mit meinem breitesten Grinsen.

Samstag, 12. Januar 2019, 11:00 Uhr: Mein Smartphone vibriert. Ich öffne mit Mühe meine Augen und fühle dumpfe Kopfschmerzen. Ich taste die Matratze nach meinem Smartphone ab und schaue auf das Display: neun Anrufe in Abwesenheit. 15 neue Nachrichten. Eigentlich wollte ich doch nur zwei bis drei Drinks nehmen.

19:30 Uhr: Ich öffne das Notebook und schaue in mein E-Mail-Postfach. 97 ungelesene Nachrichten. Wieder dieses beklemmende Gefühl der Enge in der Brust. Das kann dieses Jahr so nicht weitergehen! Das bin doch nicht ich!

Montag, 14. Januar 2019, 12:15 Uhr: Hier sitze ich nun, während meiner Mittagspause, bei genau dem Business Coach, dessen Kolumne ich letzte Woche noch mässig begeistert gelesen hatte. «Gerne lade ich Sie zu einem kostenlosen und unverbindlichen Kennenlerngespräch ein. Das Gespräch wird 15 bis 20 Minuten dauern», lautete es in seiner E-Mail-Antwort. «Neben all dem, was du in diesem Jahr nicht mehr willst, was ist es denn, was du für dich verändern möchtest?», höre ich ihn fragen. Nachdenkliches Schweigen. «Ich will diese stille Wut in meinem Bauch loswerden. Ich will mein E-Mail-Postfach öffnen können, ohne, dass mich eine Welle der Panik erfasst. Aber vor allem will ich endlich den Mut finden, mein authentisches Ich zu leben.»

Kommen Ihnen, meine Leserinnen und Leser, solche Situationen, die in den immer gleichen Sackgassen landen und zu Frust und Demotivationen führen, bekannt vor? An diesem Punkt beginnt meine Arbeit als Experte für Leadership- und Team Coaching.

Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe der «ZürichRUNDSCHAU».  

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