«EIN PRIMUS INTER PARES?»

Herr Anliker, sagen Sie uns doch etwas zu Ihrer Person.
Ich bin Familienvater, Unternehmer, und begeistere mich für Sport – insbesondere für Sachen, bei denen man miteinander vorwärts kommen kann.

Warum sind Sie Unternehmer geworden?
Schon mein Vater und mein Grossvater waren Unternehmer, ich habe das also sozusagen zu Hause am Tisch gelernt. Ob im Business oder im Sport: Ich bin einfach jemand, der gerne etwas mit Anderen zusammen entwickelt und bewegt. Aber, das gebe ich zu, ich will dabei auch die Richtung mitbestimmen können.

Ist für Sie der GC auch ein Unternehmen?
GC ist schlussendlich eine Mischung aus Sportclub und Unternehmen, primär ein Unternehmen, aber alles wird in der Öffentlichkeit kommentiert. Geld zu verdienen ist halt die Basis vom fussballerischen Erfolg, dabei muss man immer integral denken. Sportliche Organisationen auf diese Weise weiterzuentwickeln, ist das Ziel meines Engagements. Dafür setze ich mich ein!

In Langenthal sind Sie ja praktisch der Baukönig. Rechnen Sie denn durch Ihre Tätigkeit als GC-Präsident nun auch mit mehr Bauaufträgen aus dem Raum Zürich?
Das Netzwerk ist eine der vielen positiven Seiten des Geschäfts, wobei es natürlich auch deren negative gibt. Wichtig ist für mich aber immer zuerst der Drang, die Dinge anzupacken und zu entwickeln. Dieser steht am Anfang all meiner Projekte, erst dann denke ich über die ökonomische Seite nach. In Zürich kann man natürlich stark von den lokalen Netzwerken profitieren, die ich als Architektur- und Totalunternehmer natürlich benötige.

Was wollten Sie denn als Kind werden, hatten Sie sowas wie einen Traumjob?

Ja, mit ungefähr 16 wäre ich später gern einmal Olympiasieger geworden (schmunzelt). Sie müssen wissen: Ich war als Leichtathlet und Kugelstösser / Diskuswerfer aktiv. Einen Traumjob im eigentlichen Sinne hatte ich aber eigentlich nie. Mein Vater und mein ehemaliger Chef haben mir in meinem beruflichen Findungsprozess sehr geholfen, heute unterstützen mich vor allem meine Frau und meine Geschäftspartner. Das Präsidentenamt beim GC – ein wirklich einzigartiger Club mit grossem Potenzial – sehe ich auch als tolle Chance, weiterhin auf vielen Feldern gleichzeitig tätig zu sein und etwas mit anderen Menschen zusammen erreichen zu können. Natürlich sind mit einem solchen Amt auch gewisse Risiken verbunden, aber zunächst einmal sollte man immer die Chancen ins Auge fassen.

Was war Ihr grösster Fehlentscheid?
Das ist eine spezielle Frage. Wenn überhaupt, dann sind das bestimmt Entscheidungen aus der Vergangenheit, deren Auswirkungen man ohnehin erst aus einer gewissen Distanz beurteilen kann und die einem zum damaligen Zeitpunkt oft richtig und schlüssig erschienen sind. Wichtig ist, was man aus den sich daraus entwickelnden Gegebenheiten macht, das braucht und gibt die Erfahrung.

Welche Persönlichkeit hätten Sie schon immer gerne einmal getroffen?
Ich bin eigentlich nie sehr vorbildorientiert gewesen. Ich treffe lieber Menschen aus meinem privaten, beruflichen und sportlichen Umfeld.

Worüber könnten Sie sich ärgern?
Ich ärgere mich über Leute, die unloyal sind oder zu früh aufgeben. Was mich sehr ärgert ist diese zunehmende Reglementierungsflut und die daraus folgende Gleichmacherei, … schlussendlich Desinteresse!

Wie erholen Sie sich vom Stress?
Das habe ich erstmal über die Jahre lernen müssen. Ich habe mir bewusst Freiräume geschaffen, auch mehr Ferien. An den Wochenenden und Abenden entspanne ich vor allem im Kreis meiner Familie, mit meiner Frau und meinen beiden 12- und 14-jährigen Kindern…

Überschneidet sich das am Wochenende nicht – Familie und Fussball?
Doch, da haben Sie natürlich Recht, aber meine Familie ist auch sehr sportbegeistert und kommt daher oft gerne einfach mit. Ich nehme mir wie gesagt aber auch öfter mal bewusst eine Auszeit, in der ich dann ganz alleine für ein paar Tage verreise und in einer Junior-Suite oder im Ferienhaus ausspanne. Das «Alleine sein» können viele Leute nicht verstehen, mir ist das aber sehr wichtig. Ich nehme mir dann immer ein bisschen was zum Arbeiten mit, gehe Joggen und am Abend gut essen. Dabei habe ich dann wirklich meine Ruhe und kann Kraft tanken, Nach- und Vordenken. Daraus speist sich dann letztlich auch die Kreativität, die ich als Unternehmer brauche. Seitdem ich das jedes Jahr vier oder fünf Mal mache, ist Stress für mich eigentlich gar kein Thema mehr. Ich kann die Leute, die immer gestresst sind, manchmal gar nicht recht verstehen, denn ich glaube, dass sich Stress durch eine gute  Organisation des Alltags durchaus vermeiden lässt. Ich arbeite daher auch am Wochenende vielfach schon ein bisschen was für die nächste Woche vor, am frühen Samstag- oder Sonntagmorgen.

Was zeichnet die Schweizer Wirtschaft aus?
Die Schweizer Wirtschaft lebt sehr stark von einer gewissen Eigenständigkeit. Da wir es bei der Schweiz ja mit einem vergleichsweise kleinen Land zu tun hat, muss man sich als Unternehmer sicher besonders anstrengen und über sich hinauswachsen – da sehe ich Parallelen zu Langenthal. Gerade das macht es aber auch so spannend. Vorteile sehe ich sicherlich auch in der Heterogenität der Schweizer Bevölkerung sowie in der günstigen geografischen Lage. Schädlich finde ich hingegen die Reglementierungswut einer neuartigen Politik, die die Möglichkeiten für den Unternehmer massiv einschränkt. Das finde ich wirklich sehr schade. Früher hat es noch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik gegeben. Heute aber scheint zunehmend die Politik alles bestimmen zu wollen, Chancen gehen durch Risikominderung verloren….

Sie sind seit 2007 bei GC einer der 15 Geldgeber, warum? Wie kam es dazu?
Nein, das stimmt nicht ganz. Seit 2007 bin ich Mitglied im Blue Label Club des GC, man kannte mich schon durch meine Tätigkeit beim SC Langenthal – seit 2010 besteht der Ownerkreis.

Der SC-Langenthal, dem Eishockey-B-Club, für den Sie als Präsident tätig sind. Ist das die allgemeine Liebe zum Sport, oder kamen Sie wie die Jungfrau zum Kinde vom Eishockey zum Fussball bzw. von Langenthal nach Zürich?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen haben meine Eltern lange in Zürich gewohnt, meine Mutter wuchs in Schindellegi auf, zum anderen war ich hier beruflich immer schon aktiv. Ich bin also seit jeher zwischen Langenthal und Zürich hin und her gependelt.

Das aktuelle Budget wurde gesenkt. Ist es schwierig, in der heutigen Zeit neue Investoren zu finden?
Ja, es ist tatsächlich nicht einfach. In den letzten Jahren wurden die Sponsoren aber auch nicht sehr konzeptionell gesucht. In Zukunft wollen wir systematisch versuchen, einen besseren Einklang zwischen Sponsoren, Zuschauern und Möglichkeiten zu generieren. Der sportliche Erfolg und ein neues Stadion sind hierfür allerdings zwei wichtige Voraussetzungen.

In den letzten Jahren stand nie mehr eine TOP-Firma, kein richtiger nationaler Brand, auf den Trikots von GC – Warum?
Das hat natürlich verschiedene Gründe. Für uns ist jetzt primär wichtig, über den sportlichen Erfolg und finanzielle Solidität auch wieder mehr grosse Unternehmen für den GC zu gewinnen und so diesen mehr Werbewirksamkeit zu generieren. Die notwendige Grundlage hierzu wurde, denke ich, nun geschaffen. Dies braucht aber natürlich auch immer etwas Zeit, und die müssen wir uns jetzt nehmen. Der GC ist nach wie vor einer der wichtigsten Schweizer Sport-Brands, auch im Ausland. Darauf können wir aufbauen.

Wer führt denn eigentlich die Verhandlungen mit den Sponsoren?
Das ist ein Aspekt, den wir jetzt professionalisieren werden. Früher war es nur so, dass man über Beziehungen die jeweiligen Sponsoren begeistert hat. Wir versuchen jetzt, professionell und nachhaltig an die Sache heranzugehen. Dafür wird eine Organisation aufgebaut, die den Zweck hat, den GCZ zu vermarkten.

Wie wichtig sind denn die Vereinigungen Donnerstag-Club, Blue Label, Griffith-Club, GC 10, Business-Club und YouDoC für Sie?
Sie sind das Rückgrat des GC und damit extrem wichtig. Es handelt sich dabei um Donatorenclubs, von denen wir zum Glück gleich eine ganze Reihe haben und die möglichst für finanzielle Stabilität des Vereins sorgen und Breite geben. Die Eifersüchteleien, die es früher zwischen diesen Clubs gegeben hat, sind mittlerweile beigelegt, was ein wichtiger Schritt war.

Was bedeutet für Sie der GC-Nachwuchs?
Der ist eminent wichtig. Der GC leistet bereits eine hervorragende Nachwuchsarbeit, wir stellen derzeit schweizweit die meisten Junioren-Nationalspieler. Allerdings sehen wir das natürlich auch als gesellschaftlichen Auftrag. Die erste Mannschaft wie auch die Juniorenteams sollen Vorbilder für Jugendliche sein, eine sinnvolle Aufgabe und Beschäftigung bieten. Schliesslich ist der Fussball in der Schweiz der grösste Integrationsfaktor. Dass gute Nachwuchsspieler natürlich auch Geld in die Kasse bringen, dürfte landläufig bekannt sein – die Nachwuchsabteilung kostet uns aber auch über Fr. 3 Mio. im Jahr! Nachwuchsarbeit ist in jeder Hinsicht eine gute Investition in die Zukunft.

Mit dem GC-Campus scheinen Sie da tatsächlich auf einem guten Weg zu sein…
Richtig, der Campus ist eine absolute Topdestination. Sowohl für Jungfussballer als auch für die Aktiv-Mannschaft stellt er ein sehr gutes Ausbildungs- und Trainingszentrum dar. Das Stadion Letzigrund hingegen ist leider eine Fussball-Fehlkonstruktion. Als Leichtathlet war es zwar immer mein Lieblingsstadion, aber für den Fussball kann man es einfach nicht gebrauchen. Es gibt viel zu wenige VIP-Plätze, es ist sehr zügig… die Sicherheit ist löchrig. Aber das ist ja alles lange bekannt. Wir versuchen jetzt einfach das Beste daraus zu machen, auch wenn es schon sehr schade ist, dass der Bau eines neuen Stadions aufgrund der vielen Reglementierungen bislang nicht zu finanzieren war.

Wie viele Nachwuchsspieler schaffen denn den Sprung vom Talent zum Stammspieler in der ersten Mannschaft?
Das dürfte nur ein relativ kleiner Prozentsatz sein, vielleicht einer bis zwei pro Jahrgang (pro Jahrgang werden z.Bsp. mit 11 Jahren ca. 50-60 Spieler trainiert, Anm. d. Red.). Aber nicht nur darauf kommt es an. So ein Sport-Campus ist ja auch eine Schule für`s Leben, die den Jugendlichen eine gewisse Struktur und jede Menge Spass bereiten soll. Das ist für uns dann schon ein Wert an sich, … eben das Soziale, Integrale … !

Wenn Sie nochmals von vorne beginnen könnten: Würden Sie etwas anders machen?
Nein, würde ich nicht. Ich habe in meinem Leben viele Entwicklungen mitgemacht, wenn auch nicht immer auf direktem Wege. In vielen Bereichen habe ich auch erst durch langjährige Erfahrung lernen müssen, ob etwas für mich stimmt oder nicht. Aber das brauche ich offensichtlich, da ich immer schon eher ein Praktiker als ein Theoretiker war. Ich kann sagen, dass ich wirklich happy mit meinem Leben bin – mit meiner Familie, dem Unternehmen, dem Sportumfeld. Und ich hoffe natürlich, dass das auch noch lange Zeit so bleiben wird.

Herr Anliker, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen und den Grasshoppers alles Gute für die Zukunft!