Der „Hunger“ nach social closeness

INTERVIEW MIT ANNA GRASSLER VON JOËL CH. WUETHRICH

Felfel - Good food at work.

Nach den Zeiten von Social Distancing ist der Hunger nach Social Closeness gross – und dies erst recht, wenn es um das Gemeinschaftserlebnis Essen geht. Tag für Tag stellen sich Tausende kurz vor Mittag dieselbe Frage: Wo gehen wir essen? Mit Felfel erübrigt sich diese Frage.

Felfel rüstet über 500 Firmenkunden mit smarten Kühlschränken aus und verpflegt so knapp 100’000 Arbeitnehmende in der ganzen Schweiz. Mittlerweile beschäftigt das von Daniela und Emanuel Steiner gegründete Unternehmen über 100 Mitarbeitende an den Standorten Zürich und Lausanne. Felfel ist ein schweizerisches Start-up, welches Büros mit einer Mitarbeiterstärke ab ungefähr 20 Personen mit leckerem, ausgewogenem und lokal gekochtem Essen versorgt. Dafür installiert Felfel elegante und intelligente Kühlschränke,
welche anhand von Algorithmen täglich individuell nachgefüllt werden. Das wöchentliche Angebot ist dabei je nach Standort personalisiert und Mitarbeitende können den Felfel ganz einfach via Badge oder App bedienen und ihre Lieblingsprodukte kaufen. Aber das «System Felfel» beinhaltet weit mehr als eine praktische und nachhaltige Komponente. Die Philosophie ist klar: Die Unternehmenskultur soll nachhaltig beeinflusst und eine  Kommunikation auf allen Ebenen ganz nach dem New-Work-Prinzip gefördert werden. Der Felfel-Kühlschrank habe die Kultur im Unternehmen definitiv verbessert – Menschen sprechen viel öfter und offener miteinander, sagt die Kundschaft. Felfel will revolutionieren, wie die Schweiz am Arbeitsplatz isst. Das Unternehmen ist getrieben von der Vision, den Schweizer Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern mit einem tollen kulinarischen Angebot und abwechslungsreichen Mahlzeiten und Snacks, die von kleinen lokalen Familienbetrieben hergestellt werden, zu einem noch besseren Arbeitsalltag zu verhelfen – und in der Essenz ein besserer «Gastgeber» für die Mitarbeitenden zu werden. Das innovative Unternehmenskonzept ist mit diversen Preisen ausgezeichnet worden, darunter dem Swiss Economic Forum Award (2016) sowie dem EY Entrepreneur of the Year Award (2018). Wir haben mit Felfel-Geschäftsleiterin Anna Grassler über neue Essensgewohnheiten,
Unternehmenskultur und Nachhaltigkeit und natürlich über das Erfolgsrezept gesprochen.

«Geschäftsführer»: Anna Grassler, was haben Sie in den letzten Monaten als Geschäftsleiterin gelernt?
Anna Grassler: Mir ist noch bewusster geworden, wie wichtig eine gesunde Unternehmenskultur ist. Und nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kunden war es eine grosse Herausforderung, eine starke Kultur auch auf Distanz aufrechtzuerhalten. Wenn man sich nicht täglich auf dem Gang oder beim gemeinsamen «Zmittagessen» sieht, braucht es von Arbeitgeberseite viel mehr Zusatzaufwand, um das Team eng zusammenzuhalten und einen starken Teamspirit aufrechtzuerhalten. Ich bin sehr
glücklich und auch stolz darauf, dass wir unsere Kunden und natürlich auch unser Team während des letzten Jahres mit neuen Lösungen wie dem Heimlieferdienst oder den Überraschungsboxen unterstützen konnten. Und wenn es jetzt langsam zurück ins Büro geht, ist Felfel natürlich ein perfekter Puzzlestein, um wieder vermehrt die soziale Interaktion zu fördern! Denn es geht nichts über ein gemeinsames Mittagessen, Zmorge
oder Zvieri.

Ich interpretiere also, dass Sie die Herausforderungen im Jahr 2020 proaktiv angenommen haben und damit überaus erfolgreich waren? 
Ja, so ist es. Wir mussten uns auch der Pandemielage anpassen. Auf einmal hatte die Kundschaft noch individuellere Wünsche und Bedürfnisse als zuvor. Das haben wir aber als positive Herausforderung angenommen und viel dabei gelernt. Wir haben den Vorteil, dass wir bereits ein agiles und auch agil handelndes, junges Team sind. Und dieser Umstand kam uns natürlich entgegen und so war es für uns gewissermassen normal, mit solch einer Situation der Disruption umzugehen.

Zum Beispiel …?
Jedes Unternehmen ist unterschiedlich mit den Corona-Massnahmen umgegangen. Manche hatten mehr Home Office als andere. Unser Versprechen dem Arbeitgeber gegenüber ist es, dass wir die Mitarbeitenden rund um die Uhr frisch und fein verpflegen. Als der Arbeitsplatz dann plötzlich nicht mehr im Office, sondern im Home Office war, haben wir sofort reagiert und über Nacht einen Heimlieferdienst aufgebaut. So konnten wir unser Versprechen
nach wie vor erfüllen und unsere Kundinnen und Kunden auch zu Hause im Arbeitsalltag unterstützen.

Sie arbeiten mit Mathematikern zusammen. Diese versuchen, die Bestellgewohnheiten der einzelnen Kunden schon im Vorfeld zu eruieren.
Hilft das bei der Planung?
Auf jeden Fall, der Rundumservice von Felfel beruht stark auf unserem Team von Mathematikern und deren Algorithmen. Unser Ziel ist es, die Felfel-Kühlschränke individuell zu befüllen, sodass alle Mitarbeitenden vor Ort etwas finden – ob ein veganer Aprikosen-Quinoasalat oder ein herzhaftes Goulasch mit Spätzli, ob laktosefrei oder asiatisch. Wir wollen eine grosse Varietät bieten und auch die täglich gelieferte Menge optimieren, sodass auch die Abendschicht noch eine grosse Auswahl für ihr Z’nacht hat. Das tagtäglich zu optimieren, ist eine unserer grossen Stärken. Was da im Hintergrund läuft, ist weit komplexer, als man auf den ersten Blick denkt!

Das Erfolgsmodell basiert so oder so auf einer guten Umsetzung …
Absolut. Das trifft es auf den Punkt. Wir sind stark in der «Execution» – wir sind davon überzeugt, dass Innovation lediglich zu 20 Prozent auf der Idee beruht und zu 80 Prozent auf der Execution. Felfel ist im Grundsatz ein Kühlschrank mit richtig gutem Essen direkt am Arbeitsplatz. Tönt simpel! Effektiv müssen wir jedoch Food, Tech, Logistik und Gastfreundschaft im Tagesgeschäft kombinieren und richtig gut umsetzen. Sonst wäre es nicht möglich, wöchentlich über 20 frische Gerichte zu konzipieren, über 500 Kühlschränke zu beliefern, mit 100’000 Endkunden in Kontakt zu sein und die Intelligenz der Felfels konstant weiterzuentwickeln. Da kommt uns der sehr agile Ansatz wieder zugute – denn auch wenn unser Geschäftsmodell operativ komplex ist, können wir trotzdem extrem schnell neue Ideen integrieren und umsetzen, um so konstant auf immer neue Wünsche unserer Kunden einzugehen. Diese Schnelligkeit und der Tatendrang sind auch in unserer Unternehmenskultur stark verankert. Wir wollen allen Teams viel Freiheit geben, sodass sie eigene Ideen entwickeln und auch direkt umsetzen können. Die Gastfreundschaft unseren Kunden gegenüber ist ein zentraler Firmenwert, und dieser kann nur dann erreicht werden, wenn das Team Freude und Ownership spürt und lebt!

Wie würden Sie Ihren Führungsstil in diesem dynamischen Umfeld beschreiben?
Ich gebe dem Team sehr viel Freiheit und Vertrauen und erhalte dieses Vertrauen von unseren Gründern zurück. Das schätze ich sehr. Ich glaube, das ist die beste Möglichkeit, um selbst Ownership aufzubauen. Wenn man Vertrauen spürt, ist man selbst auch angespornt, sein Bestes zu geben. Und die Arbeit macht so auch einfach mehr Spass. Auch Humor ist sicher ein ganz wichtiger Grundsatz meiner Art des Führens. Ich nehme alles
immer mit einer Prise Humor. Mein Motto «test fast, fail fast, adjust fast» nehme ich ernst. Ich bin nie jemandem böse, wenn ein Fehler passiert, sondern versuche gemeinsam mit dem Teamkollegen herauszufinden, wieso dieser passiert ist. Danach wird geschaut, wie wir den Prozess anpassen müssen, damit wir diese Fehler in Zukunft vermeiden können.  «Assume positive intent» ist ebenfalls ein ganz wichtiger Leitsatz für mich. Von Grund auf vertraue ich jedem einzelnen im Felfel-Team, sonst wäre er ja auch nicht bei Felfel. Da gehe ich immer davon aus, dass jede Aktion, jedes Verhalten mit guter Absicht passiert ist. Ich glaube, das gibt dem Team auch wieder die Sicherheit, dass auch Fehler gemacht werden dürfen. Eine gute Fehlerkultur ist wichtig und Fehler sind entscheidend in einem  Lernprozess und für das Wachstum einer Firma. Man muss danach einfach zu seinen Fehlern stehen und daraus lernen. Diese Freiheit führt auch zu extrem viel Kreativität und neuen Ideen! Auch ich stehe sehr offen zu meinen Fehlern, habe kein Problem damit, diese öffentlich vor dem ganzen Team zuzugeben oder mich auch mal zu entschuldigen! In diesem Sinne habe ich selbst kein Ego, sondern versuche einfach, tagtäglich gemeinsam mit dem Team zu arbeiten.

Wie sehen Sie die Zukunft der Büros?
Durch Corona ist die Gestaltung des Büros in Zukunft ein sehr aktuelles Thema geworden, und wir finden dies eine unglaublich spannende Diskussion. Wie sieht das Büro von morgen aus, was muss ich meinem Team bieten, um das Büro attraktiv zu gestalten, damit die Mitarbeitenden ins Büro zurückkehren wollen, was ist der Sinn und Zweck des Büros? Da geht es nicht mehr nur um den Arbeitsprozess an sich, denn arbeiten kann man auch gut aus dem Home Office. Sondern es geht um sozialen Austausch, die Stärkung des Teamspirits, die Förderung der Unternehmenskultur, um Alignment, Brainstorming – um ganz viel Interaktion eben, und dafür müssen sich die Büroräume auch anpassen. Und Felfel spielt dabei eine sehr wichtige Rolle und wir machen uns viele Gedanken und entwickeln neue Produkte, um unseren Firmenkunden genau dabei zu helfen, bessere
Gastgeber für ihre Mitarbeitenden zu werden.

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