Ohne Marktforschung zum scheitern verurteilt

Von Joel CH. Wuethrich

Social-Media als Marketing-Tool.

Längst ist es nicht mehr nur Kommunikationsplanerinnen und -planern beziehungsweise Marketing- und Kommunikationsfachleuten vorbehalten, sich über die Analysen und die daraus resultierenden Marketing- und Kommunikationsziele aus der Marktforschung den Kopf zu zerbrechen. Diese Tasks sind in den heutigen Arbeitswelten mit vielfältigem Mediennutzungsverhalten auch Chefsache.

Die Covid-19-Pandemie hat im Jahr 2020 in vielen Branchen einige Trends im Bereich Digitalisierung und Marketing (inklusive der Teilbereiche Kommunikation und Media) forciert. Wir haben an dieser Stelle schon berichtet: Die Digitalisierung hat einen grossen Einfluss auf die Wahl der Marketing- und Kommunikationsmassnahmen zur Generierung von Zielgruppengenauigkeit, auf die Reichweite und auf die Erhöhung des Affinitätsquotienten bei den erwünschten Zielgruppen.

In den letzten Jahren haben sich zudem viele neue «Mikrokosmen» gebildet, und die diversen Zielgruppen sind viel spezifischer und heterogener als früher. Auch das Mediennutzungsverhalten ist somit diverser, komplizierter und individueller geworden. Eine Markt- und Zielgruppendefinition – beziehungsweise -segmentierung – erweist sich als die neue grosse Herausforderung. Das Kommunikations- und Mediennutzungsverhalten wird sich in den kommenden Jahren zudem sehr stark dem demografischen Wandel anpassen: In vielen Bereichen übernehmen die jüngeren Generationen Y und Z das Zepter beziehungsweise werden zur interessantesten Kaufkraftklasse, die man mit Marketing erreichen kann. Im Geschäftsleben entsteht ein Generations- und somit auch ein Paradigmenwechsel. Im Auge haben viele Marketingprofis natürlich die Generation Z. Damit sind diejenigen gemeint, die kurz nach der Jahrtausendwende geboren wurden und nun auf den Arbeitsmarkt drängen. Die Generation Z wird in den nächsten Jahren bis zu 45 Prozent aller Konsumenten ausmachen. Die Folge: Kommunikation bedeutet für die Generation Z neue Wege beim Wording und bei der Gestaltung des Contents. Wichtig hierbei sind
folgende Werte: Authentizität, Datensicherheit und Diversität.

In Anbetracht all dieser Vorgänge und Entwicklungen (auch und vor allem bezüglich der Technologien im Bereich Kommunikation) sind natürlich Trends wie «Infused Analytics», «agiles Marketing» und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz voll im Trend.

Um auf dem Laufenden zu sein, wird nebst den klassischen Marktforschungsmethoden
auch der Trend- und Zukunftsforschung eine immer grössere Bedeutung zuteil. Schliesslich gilt es herauszufinden, von welchen Themen die diversen Zielgruppen in den kommenden Monaten und Jahren bewegt werden. Die Basis einer Zukunftsforschung beziehungsweise
eines Zukunftsmonitorings bilden das gerichtete Beobachten bestimmter Frühwarnindikatoren sowie die ungerichtete Suche nach Anzeichen für bedeutsame Entwicklungen. Durch die Auswertung von Medien und des Mediennutzungsverhaltens der jeweiligen Zielgruppen durch Desk-Research (Auswertung von Statistiken, empirischen Daten, Publikationen internationaler Organisationen und so weiter) sowie durch sogenannte Alltagsethnologie (qualitative Sozialforschung) wird das Umfeld – gleichsam einem Radar – abgescannt. Sämtliche aufschluss- und einflussreichen Zeichen werden anschliessend näher überprüft und durch die gezielte Suche nach weiteren Informationen vertieft sowie kategorisiert. So werden Hintergründe, Ursachen und ihre Verknüpfungen mit anderen Entwicklungen und Implikationen analysiert (Quelle: Büro für Zukunftsfragen). Der Monitoringprozess richtet sich auf einige hauptsächliche Bereiche, die in ihrer Gesamtheit unsere externe Umwelt vollständig beschreiben: Gesellschaft (Demografie, Bildung, Werte, Lebensstile), Politik (Gesetzgebung, Staatsformen, Parteien), Wirtschaft (Arbeitswelten, Produktentwicklung, Märkte, Globalisierung, Unternehmensführung), Technologie
und Umwelt (Nachhaltigkeit, neue Energiekonzepte, spezifische Umweltprobleme, Ressourcenverknappung).

Zukunftsforschung und -monitoring hilft also Unternehmen – seien es KMU oder grosse Konzerne –, die Unternehmensziele mittel- und langfristig zu bestimmen. Futuristinnen und Futuristen und Zukunftsforschende können zudem mit den Erkenntnissen auch die sogenannten Megatrends bestimmen. Regelmässige Leser/innen wissen: New Work, Digitalisierung, Gesundheit, Mobilität, Wissenskultur, Urbanisierung, Konnektivität, Urbanisierung, Neo-Ökologie (Ressourcenverknappung und Ökologisierung), Globalisierung und Individualisierung, Beschleunigung durch Innovation und Technologie, Sicherheit, die «Silver Society» (auch Aging Society) und «Gender Shift» (Wandel durch das Aufbrechen
von Geschlechterstereotypen und Rollenmustern) – dies alles sind sogenannte Megatrends, die bereits 2019 durch die Zukunftsforschenden und Zukunftsinstitute definiert wurden. Für 2020 wurden von vielen Fachleuten fünf Megatrends zu den wohl einschneidendsten auserkoren: Individualität, Wissenskultur, Neo-Ökologie, Silver Society und schliesslich der
vielleicht einschneidendste Megatrend: die Konnektivität.

Was bedeutet dies für die Media- und Kommunikationsplanung? Die viel beachtete Studie «Media Trends & Predictions 2021» der Kantar Group (zweitgrösstes  Marktforschungsunternehmen der Welt mit 28’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) riskiert eine Vorschau auf die Entwicklungen, die die Medienbranche 2021 im Bereich Media prägen werden. Erste Erkenntnis: Wichtiger denn je ist die Etablierung einer Marken-Leitidee, eines «Markenversprechens». Fast 50 Prozent aller Kunden weltweit lassen Kriterien wie Nachhaltigkeit und soziales Engagement von Marken in ihre Kaufentscheidungen einfliessen. Bis zum Kaufentscheid durchläuft man jedoch eine Customer Journey und die diesbezüglichen Touchpoints. Wer seine Zielgruppen und deren Mediennutzungsverhalten kennt, kann auch die richtigen Touchpoints setzen. Gemäss Kantar sind dies also die Zehn Trends, welche die Medien- und Kommunikationswelt 2021 beschäftigen werden:

1. Verändertes Zuschauerverhalten – Nachhaltig oder kurzer Effekt?
Der Medienkonsum zu Hause hat während der Pandemie zugenommen. Es bleibt jedoch die Frage offen, wie lange diese Gewohnheiten anhalten und welche Herausforderungen dies für Werbetreibende darstellt, die ihre Medienkäufe optimieren möchten.

2. Der Flex-Abonnent:
Verbraucher sehen Video-on-Demand-Abonnements zunehmend als austauschbar an, was den Konkurrenzkampf der Streaming-Anbieter auf ein neues Niveau hebt. (Nutzerspezifische) Inhalte werden im Mittelpunkt stehen, um neue Strategien zur Kundenakquise zu entwickeln. Kooperationen sind entscheidend für den langfristigen Erfolg.

3. E-Commerce und Medien
Social-Media-Influencer beeinflussen die Verbraucher über den gesamten Verkaufszyklus hinweg und führen zu einer effizienteren Omnichannel-Präsenz. Marken müssen ihre D2C-Strategien neu definieren, um Influencer und Community-basierte Plattformen zu integrieren.

4. Das Publikum im Stream
Das Gefühl von – familiärer – Zusammengehörigkeit hat während der Pandemie an Bedeutung gewonnen und das gemeinsame Fernsehen gefördert. Ein tieferes Verständnis des Co-Viewing mit seinen Überschneidungen und Migrationen zwischen Streaming-Plattformen ist erforderlich und muss sich in den Reichweitenmessungen widerspiegeln.

5. Aktualität
Zu aktuellen Themen Stellung zu beziehen ermöglicht es den Marken, sich sinnvoll mit den Verbrauchern zu verbinden – aber Taten sagen viel mehr als Worte. Die Korrelation zwischen Werten, Medienauswahl und Influencer-Strategie wird für Marken immer wichtiger, birgt aber auch Risiken für die Eigentümer von Medienplattformen.

6. Das Social-Media-Dilemma 
Die Investitionen der Marken in Social Media nehmen weiter zu – trotz des Misstrauens der Verbraucher gegenüber diesem Medienkanal. Marken werden offener und dynamischer in ihrer Medien- und Kommunikationsplanung, indem sie Influencer strategisch einsetzen und kanalübergreifende Kampagnen erstellen.

7. Kreativität
Werbetreibende und Agenturen beschleunigen die Nutzung der neuesten Medienkanäle und -formate. Die Ersteller von Inhalten müssen sich auf die Plattformen konzentrieren, die für sie den besten Wert bieten. Online-Video wird der grösste Gewinner sein.

8. Infused Analytics
Übergreifende Analysen optimieren die Marketing-Investitionen und ermöglichen eine ausgewogene Strategie zwischen kurz- und langfristigen Massnahmen. Messungen, die die Qualität kreativer Inhalte vor der Ausstrahlung zertifizieren und optimieren, werden an Bedeutung gewinnen und fortschrittlichere Analysetools liefern die Grundlagen für strategische Investitionsentscheidungen.

9. Cookie-exit
Angetrieben vom sinkenden Einsatz von Cookies werden Werbetreibende auf eine hybride Messung der Anzeigeneffektivität umsteigen und datenschutzkonforme direkte Integrationen sowie probabilistische und evidenzbasierte Modellierungen kombinieren, um eine ganzheitliche Sicht auf Kampagnen zu erzielen.

10. Datentransparenz
Mediendaten werden systematischer in Organisationen verwendet und geteilt. Medienfachleute benötigen Zugriff auf breitere Datensätze, um bessere Entscheidungen treffen und Chancen erkennen zu können, während Datenplattformen Open Source sein müssen, damit Marken gleichzeitig mit mehreren programmatischen Partnerplattformen
arbeiten können.

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