60 Prozent langfristig betroffen

Die Sportanlässe tragen den grössten Anteil zur Bruttowertschöpfung in der Branche bei.

Viele Branchen wurden durch die Covid-Pandemie Massiv getroffen. Bei kaum einer Branche wurde es der Bevölkerung offensichtlicher vor Augen geführt wie bei der Sport-, Freizeit-, Event-, und Touristikbranche. Dabei ist die wirtschaftliche Bedeutung der sports und der Freizeitbranche  in der kompakten Schweiz besonders gross. So auch in Zürich als Event- und Sportregion mit einer hohen dichte an Freizeitaktivitäten. Die Wertschöpfung leidet dementsprechend – auch nach den Hilfspaketen und Sportmassnahmen der Bundes.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Sports in der Schweiz ist, verglichen mit anderen Ländern in Europa, besonders gross. Der Bereich Sport schafft laut einer neuen Studie knapp 100ʼ000 Stellen. Die Wertschöpfung beträgt jährlich über elf Milliarden Franken bei einem Umsatz von über 22 Milliarden Franken. Die Sportwirtschaft steuerte bereits 2017 rund 1.7 Prozent zum Bruttoinlandprodukt (BIP) und 2.4 Prozent zur Gesamtbeschäftigung bei, wie eine neue Studie im Auftrag des Bundesamtes für Sport (BASPO) beschreibt. Damit trage der Sport ähnlich viel zum BIP bei wie der Maschinenbau Gleichzeitig ist die Wertschöpfung mehr als doppelt so hoch wie die der Land- und Forstwirtschaft. Das sind beeindruckende Zahlen.

Wenn man bedenkt, dass flankierend dazu die Event- und Freizeitbranche enorm von der Sportwirtschaft profitiert und man diese Branchen in einen Bereich «Sport und Freizeit» zusammenfügt, würden die Zahlen noch bedeutend höher liegen. In Kantonen, wo die Sport- und Freizeitaktivitäten sowie die Events eine hohe Dichte haben und effiziente Wertschöpfungsketten mit Einbezug aller direkt und indirekt beteiligten Anbietern und Branchen erzeugen, ist diese noch höher und wichtiger. So auch in der Grossregion Zürich. Aktuelles Zahlenmaterial nur für die Region ist zwar noch nicht publiziert worden, aber Schätzungen und Expertenaussagen gehen in diese Richtung.

Umsatz um über 30 Prozent gestiegen
Die Sportwirtschaft Schweiz erwirtschaftete also vor dem Ausbruch der Covid-Pandemie mit einem geschätzten Umsatz von 22.2 Milliarden Franken eine Bruttowertschöpfung von 11.4 Milliarden pro Jahr. Dadurch wird ein Beschäftigungsvolumen von insgesamt 97’900 vollzeitäquivalenten Stellen generiert. So heisst es in der aktuellsten BASPO-Studie. Experten gehen nun aber davon aus, dass die Wirtschaft in der Schweiz durch die Corona-Pandemie um rund sechs Prozent schrumpft. Dies auf den Sport bezogen wäre eine Minderung der Wertschöpfung von 700 Millionen. Und den Verlust von 6 000 Arbeitsstellen.

Die Sportwirtschaft Schweiz ist seit der ersten Untersuchung im Jahr 2005 stark gewachsen. Der Umsatz ist in diesem Zeitraum um 31 Prozent gestiegen. Das entspricht einer Zunahme von rund fünf Milliarden Franken. Wie das BASPO und Swissinfo berichten, habe sich auch die durch den Sport ausgelöste Beschäftigung erhöht. Jedoch nicht so stark exponentiell, da in derselben Periode gleichzeitig die Arbeitsproduktivität gestiegen ist: 2017 gab es im Sport im Vergleich zu 2005 11’000 vollzeitäquivalente Stellen mehr. Das entspricht einer Zunahme von 13 Prozent. Die Wertschöpfung der Sportwirtschaft (27 Prozent) ist dagegen zwischen 2005 und 2017 weniger stark gewachsen als jene der Gesamtwirtschaft (32 Prozent).

Die Wichtigkeit der Sportgrossanlässe
Die Sportwirtschaft ist eine sogenannte Querschnittsbranche, die sich aus vielen klassischen Wirtschaftszweigen zusammensetzt. So wurden in der Studie neun unterschiedliche Sportbereiche der Sportwirtschaft festgelegt. Mit 23 Prozent tragen die Sportanlagen und -Stadien mit ihren Anlässen den grössten Anteil zur Bruttowertschöpfung bei. Danach folgen die Sportvereine und -verbände (19Prozent) und der Sporttourismus
(18 Prozent). Im Bereich Sportdienstleistungen belief sich die Bruttowertschöpfung auf elf Prozent der gesamten Sportwirtschaft (2005 noch acht Prozent). In diesem Jahr hätte – ohne Covid-Pandemie – dieser Bereich mit unter anderem der Eishockey-Weltmeisterschaft sowie den Rad-WM weiter an Bedeutung gewinnen können. Weiter folgen die Sportunfälle (neun Prozent), öffentliche Verwaltung, Sportunterricht und -ausbildung, Forschung und Entwicklung /F&E (acht Prozent) und der Sporthandel (acht Prozent). Mit je zwei Prozent und einem kleineren Anteil folgen die Bereiche Produktion von Sportgeräten, Sportartikeln
und Sportbekleidung sowie die Sportmedien.

WAS WIRD DIE «STRATEGIE SPORTWIRTSCHAFT 5.0» BEWIRKEN?
Dann kam die Pandemie und der Sport wird an den Folgen langfristig zu leiden haben. Nun arbeiten Interessenvertreter mit dem Projekt «Strategie Sportwirtschaft 5.0» an einer Krisenstrategie. Mit dem koordinierten Vorgehen sollen die finanziellen Einbussen aufgefangen und die Vielfalt des Schweizer Sports langfristig erhalten werden, wie Swiss Olympic und das Bundesamt für Sport mitteilten. Das Stabilisierungspaket von 500 Millionen Franken, das der Bundesrat Mitte Mai gesprochen hat, werde – so heisst es in einer offiziellen Mitteilung des BASPO – substanziell dazu beitragen, die kurzfristigen Auswirkungen der Corona-Krise aufzufangen. Weil die Erfahrungen zeigten, dass der Sport bei einer Krise stärker und länger betroffen sei als andere Teile der Wirtschaft, brauche es
zusätzliche Massnahmen. Erste Erkenntnisse von Swiss Olympic und dem BASPO brachten zutage, dass mehr als 60 Prozent der Sportwirtschaft langfristig von der Krise betroffen sein werden. Bedroht seien mit den lokalen Vereinen, den Veranstaltern und den Profiklubs die «tragenden Säulen» des Sportsystems. Es drohen Mindereinnahmen wegen abgesagter Anlässe und Einbussen im Bereich Sponsoring. Zudem könnte auch die öffentliche Hand wegen Steuerausfällen zu Sparmassnahmen greifen. Diese Auswirkungen träfen den Sport erst in zwei bis drei Jahren.

An einem ersten von mehreren geplanten Workshops erarbeiteten im Stade de Suisse in Bern Vertreter von rund 50 Sportverbänden sowie Bund und Kantonen vorerst die Grundlagen. Die Teilnehmer diskutierten zudem mögliche Massnahmen und Lösungsansätze für das Projekt, als dessen Leiter Ralph Stöckli (Chef de Mission von Swiss Olympic) und
Olympiasieger Hippolyt Kempf (Sportökonom BASPO) eingesetzt wurden. Bundesrätin Viola Amherd, die als Gastrednerin auftrat, nahm den Sport auch in die Pflicht. «Die notwendige Neuorientierung wird durch die Massnahmen des Bundes begleitet. Damit verbunden sind aber klare Erwartungen», so die Sportministerin. Sie nannte unter anderen die Stärkung des Breitensports, des Behindertensports sowie der Mädchen- und Frauenförderung als Kriterien. «Swiss Olympic muss das riesige Potenzial nutzen, um sich als Dachorganisation und nationaler Förderer zu positionieren», so Amherd. Sie forderte den Dachverband
des Schweizer Sports und die angeschlossenen Verbände auf, sich entsprechend zu öffnen.

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